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Kenntnisnahme ohne finanzielle Auswirkungen - 2022/223

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Beratungsfolge

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Sachverhalt

Von den fachlichen, organisatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen für die Einführung von Gesundheitsfachkräften an Schulen wird Kenntnis genommen.

 

 

Sachverhalt mit der Stellungnahme der Verwaltung

Ausgangspunkte für die Überlegungen zum Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften

 

Die Forderung einer Allianz aus fünf medizinischen Fachgesellschaften zum Weltkindertag am 20.09.2021, bestehend aus der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie (AGPD) in der DDG gemeinsam mit diabetesDE – Deutsche Diabetes Hilfe, der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) sowie dem Berufsverband Kinderkrankenpflege Deutschland e. V. (BeKD) lautete: An jeder Schule in Deutschland soll künftig eine Gesundheitsfachkraft tätig sein. Die Allianz aus 5 medizinischen Fachgesellschaften plädiert für die flächendeckende Etablierung von Schulgesundheitsfachkräften. „Gesundheitsfachkräfte können chronisch kranke Kinder im Schulalltag kompetent begleiten“, begründet Thomas Kapellen von der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Diabetologie (AGPD). In einem Positionspapier fordern die Mediziner Verantwortliche in Gesundheits- und Kultuspolitik auf, in einem ersten Schritt alle öffentlichen und privaten Grundschulen verbindlich mit einer Gesundheitsfachkraft auszustatten.

 

Nach dem Vorbild skandinavischer und angloamerikanischer Länder sollen demnach auch in Deutschland Schulgesundheitsfachkräfte zum Einsatz kommen, um die Bildungs- und Gesundheitsbiografien chronisch kranker Kinder zu verbessern und die Inklusion zu fördern. In diesen Ländern sind seit Jahren spezialisierte Pflegekräfte in Schulen tätig, die als „school nurses“ Kinder und Jugendliche in allen gesundheitlichen Angelegenheiten betreuen. Studien bestätigten, dass alle Beteiligten der Schulgemeinde davon profitierten.

Spezialisierte Pflegekräfte können nach Ansicht der Mediziner Eltern und Lehrer entlasten und auch bei Suchtproblemen, Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung frühzeitig Hilfestellung leisten.

 

Modellprojekte

 

In Deutschland wurden zwischenzeitlich zwei Modellprojekte in den Bundesländern Brandenburg und Hessen evaluiert (siehe Anlage 1). Ein Gutachten zu den Projekten kam 2020 zu dem Schluss, dass die Einrichtung von Gesundheitsfachkräften an Schulen machbar und ökonomisch sinnvoll sei. Als Orientierungsrahmen ermittelte das Gutachten einen Schlüssel von 100 % VZÄ zu 700 Schülerinnen und Schülern. Die Projektevaluation kam zu dem Ergebnis, dass es zu weniger Unfällen und Rettungswageneinsätzen sowie zu geringeren Behandlungskosten geführt habe. Schulgesundheitsfachkräfte würden zudem stark zur Entlastung von Lehrer*innen und Eltern beitragen, die sonst wegen der Krankheit ihres Kindes häufig ihre Berufstätigkeit einschränken müssen. Dies seien volkswirtschaftliche Pluspunkte, die sich potenzierten, insbesondere da Schulgesundheitsfachkräfte nicht nur chronisch kranke Kinder unterstützten. Sie leisteten Erste Hilfe, seien Anlaufstelle bei Schmerzen und Vertrauensperson bei gesundheitlichen und psychischen Auffälligkeiten, sie berieten Kinder und Eltern zu Sucht, Ritzen, Stress, in Krisensituationen oder in Ernährungsfragen, meldeten den Verdacht auf Missbrauch, Misshandlung oder Vernachlässigung.  Ferner unterstützten sie Patientinnen und Patienten mit Diabetes mellitus und alle anderen chronischen Erkrankungen. „Sie sind eine sehr gute Investition in die Jugend und damit in unsere Zukunft“, betonte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ).

 

Bei einem Modellprojekt in Bremen wurden Gesundheitsfachkräfte an zwölf Grundschulen im Land Bremen eingesetzt, die in Stadtteilen mit besonderen sozialen Herausforderungen liegen.

 

Ziel des Projekts des Landes Bremen ist es, die Gesundheitskompetenz der Kinder, Eltern und des Schulpersonals zu stärken. Die Gesundheitsfachkräfte haben dabei die Aufgabe, Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Prävention im Setting Schule zu entwickeln und einzubringen, an einer gesundheitsfördernden Schulumgebung mitzuwirken, eine Öffnung der Schule zu gesundheitsbezogenen Angeboten in den Stadtteil zu befördern, inner- und außerschulische Netzwerke aufzubauen und entsprechende Brücken zu schaffen – auch zwischen Schüler*innen, Eltern und Schulpersonal.


Methodisch wirken die Gesundheitsfachkräfte in Bremen beispielsweise an der Gestaltung gesundheitsbezogener Unterrichtseinheiten mit, bieten Projektarbeit und individuelle Beratung für Schüler*innen, Eltern und Lehrkräfte an und unterstützen die Elternarbeit.
Der Tätigkeitsbereich der Gesundheitsfachkräfte orientiert sich am Bedarf der jeweiligen Schulen. Eine Konkretisierung erfolgt in Absprache zwischen Schulleitung, Gesundheitsfachkraft und deren Projektleitung.

 

Das Modellprojekt der Stadt Stuttgart ist an das Gesundheitsamt der Stadt angegliedert und wird an zwei Schulstandorten mit folgenden Zielen durchgeführt (siehe Anlage 2):

  • verbessertes Gesundheitsverhalten und Verbesserung der Gesundheitskompetenz,
  • bessere Integration und Inklusion von Schüler*innen mit chronischer Erkrankung oder

Behinderung und Förderung deren Selbstmanagements,

  • bessere Versorgung von chronisch oder akut erkrankten oder verletzten Schüler*innen,
  • Verbesserung der Lernvoraussetzungen besonders für gesundheitlich und / oder sozial belastete Schüler*innen,
  • Gesundheitsbewusstes Schulklima - Ausbau von Gesundheitsförderung und Prävention, Schulentwicklungsprozess

 

Finanziert wird das Stuttgarter Projekt durch den Projektmittelfonds „Zukunft der Jugend“ der Landeshauptstadt Stuttgart, der Eduard-Pfeiffer-Stiftung, die Unfallkasse Baden-Württemberg und das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg.

 

Finanzierung

 

Zur Finanzierung der Schulgesundheitsfachkräfte sind aus Expertensicht Anstrengungen von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungsträgern erforderlich.

 

Fachkräfte der Schulgesundheitspflege (Kinderkrankenschwestern, Gesundheitspfleger*innen) sind nach Tarifvertrag aktuell in P7 – aufgrund von Fachkräftemangel eher in P8 einzugruppieren, was derzeit mit ca. 50.000 Euro pro 100 % VZÄ zu veranschlagen ist. Sach- und Raumressourcen an Schulen und ggf. bei den entsprechenden Anstellungsträgern sind abhängig von der jeweiligen Konzeption und können noch nicht beziffert werden. Inwieweit Möglichkeiten der Refinanzierung der Aufwendungen zur Verfügung stehen, muss noch geklärt werden.

 

Die gutachterliche Stellungnahme im Rahmen von Projektphase IV des länderübergreifenden Modellprojektes „Schulgesundheitsfachkräfte“ in Brandenburg und Hessen soll eine Handreichung für die politischen Entscheidungsträger sein, um die Schaffung der rechtlichen und organisatorischen Grundlagen für eine Verstetigung und flächendeckende Ausweitung des Schulgesundheitsfachkräfte Angebots zu ermöglichen. Neben dem Orientierungsrahmen für organisatorische Gestaltungsmöglichkeiten sowie zur institutionellen Anbindung gibt sie Hinweise für Finanzierungsmöglichkeiten für die Anstellung, aber auch die Weiterbildung der Schulgesundheitsfachkräfte und die Ausstattung der Räumlichkeiten vor Ort. Auszug:


„Aus den rechtlichen Vorgaben lassen sich entsprechende Finanzierungsmöglichkeiten ableiten:

  • Die Bundesländer haben im Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorgaben die Möglichkeit den Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften über ihre entsprechenden Ministerien langfristig zu finanzieren (z. B. Hessen Haushaltsplan 2020; Einzelplan 04 des Hessischen Kultusministeriums).
  • Das Präventionsgesetz (§§ 20 SGB V) und die daraus entstandenen Bundesrahmenempfehlungen betonen die Notwendigkeit von Gesundheitsförderung und Prävention in den Lebenswelten der Menschen. Dazu gehören auch die allgemeinbildenden und beruflichen Schulen. Eine Förderung von Maßnahmen durch die beteiligten Sozialversicherungsträger (Krankenkassen, Renten- und Unfallversicherungsträger) ist jedoch derzeit nur für zeitlich befristete Projekte möglich. Besonders betont wird die gesamtgesellschaftliche Verantwortung für Gesundheitsförderung und Prävention auch bei Kindern und Jugendlichen. Eine zeitlich unbegrenzte Förderung von Strukturen wie es die Schulgesundheitsfachkräfte wären, im Gegensatz zu zeitlich befristeten Maßnahmen und Projekten, ist im Rahmen der derzeitigen Vorgaben des Präventionsgesetzes nicht vorgesehen.“

 

Das heißt, die gesetzlichen Grundlagen für eine nachhaltige Finanzierung müssen noch geschaffen werden.


Zitat aus o. g. Stellungnahme, siehe Anlage 1:

 

„Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialversicherungsträgern die notwendige Finanzierung von Schulgesundheitsfachkräften dauerhaft und bedarfsbezogen sicher zu stellen.
 

Eine Anpassung des Präventionsgesetzes im Hinblick auf die dauerhafte Finanzierung von Maßnahmen oder einer Strukturförderung, auch in der Lebenswelt Schule ist erforderlich. So könnten die Krankenkassen mit einem Euro pro Versicherten einen signifikanten Beitrag in Höhe von rund 57 Millionen Euro in einen gemeinsamen Fonds einzahlen, der nach entsprechendem Verteilerschlüssel über die Länder an die Schulen weitergegeben werden kann.“


Als Weiteres wird auf das Engagement der Unfallkasse Brandenburg an strukturellen und dauerhaften Maßnahmen verwiesen, die z. B. die Einrichtung des Sprechzimmers der
Schulgesundheitsfachkräfte an der Schule finanziert.


Darüber hinaus werden die Bundesländer aufgefordert zu prüfen, in welcher Form und Höhe sie ihren Beitrag zur Finanzierung der Schulgesundheitsfachkräfte leisten wollen und können. Die Anregung ist, über einen „GesundheitsPakt Schule“ (anlog zum „DigitalPakt Schule“) anzudenken. Die gesetzlichen Grundlagen zur direkten Finanzierung der Kommunen müssten in diesem Fall angepasst werden.


Ebenso sollte demnach geprüft werden, ob analog der Bundesstiftung „Frühe Hilfen“ eine Bundesstiftung „Schulgesundheit“ gegründet werden kann.

 

 

 

Fazit

 

  • Die Tabellen auf Anlage 1, Seiten 164 bis 166 stellen die aktuellen Anstellungsträgerschaften bzw. Verantwortlichkeiten für Schulgesundheitsfachkräfte in den Bundesländern dar. Demnach sind die Gesundheitsfachkräfte
    - dem öffentlichen Gesundheitsdienst zugeordnet in Bremen, Hamburg, Flensburg und
      seit Neuestem in Stuttgart,
    - dem Universitätsklinikum in Rheinland-Pfalz.
    - In Hessen sind sie der Landesverwaltung zugeordnet, vertreten durch die Staatlichen
      Schulämter.
    - In Brandenburg wurde die AWO Bezirksverband Potsdam, in Schleswig-Holstein der
      Dansk Sundhedstjeneste for Sydslesvig e. V. (eine Einrichtung der dänischen
      Minderheit) als externe Träger mit der Aufgabe betraut.

    Die Schulgesundheitsfachkräfte sind damit bisher vorrangig dem öffentlichen Gesundheitsdienst zugeordnet. Hierfür spricht den Auswertungen zufolge, dass neben einer erhöhten Akzeptanz durch die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern das erweiterte Tätigkeitsfeld, das sich der Schulgesundheitsfachkraft eröffnet, wenn sie den Gesundheitsämtern zugewiesen ist. Ferner wird den Auswertungen zufolge mit dieser Zuordnung ein einheitliches Konzept der Fach- und Dienstaufsicht geschaffen.

 

  • Darüber hinaus sprechen die geforderten Aufgabenstellungen für eine Einbindung der Fachkräfte in ein medizinisch geschultes Team mit ärztlichem Beratungshintergrund.  Kinderkrankenschwestern als Schulgesundheitsfachkräfte benötigen Fortbildungen und Schulungen für spezielle Themen, daher erscheint die Erstellung eines entsprechenden Fortbildungscurriculums notwendig.

 

  • Themen wie Suchtprobleme, Missbrauch, Misshandlung und Vernachlässigung von Schülerinnen und Schülern werden fachlich durch die Jugendsozialarbeit an Schulen/Schulsozialarbeit abgedeckt. Bei einem zusätzlichen Einsatz von Schulgesundheitsfachkräften ist eine gute Abstimmung der Nahtstellen bzw. die Abgrenzung der Aufgabengebiete erforderlich.

 

  • Die gesetzlichen Grundlagen für eine nachhaltige Finanzierung sind derzeit noch nicht geschaffen.
     
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Anlagen

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